Hier geht es um Träume. Einer meiner Träume war es, Fußballtorwart zu sein.
Vor 5 Jahren stand ich erstmals im Tor, und eine wunderschöne Zeit begann.
Diesen Traum musste ich leider vorübergehend oder für immer, das ist noch
nicht entschieden, zu Grabe tragen, weil ich eine langwierige Verletzung endlich
auskurieren muss.
Ein anderer Traum hat sich in diesem Jahr in der verletzungsbedingt fußballfreien Zeit wieder zurückgemeldet: Endlich mal wieder Marathon zu laufen. Dazu muss man vielleicht wissen, dass es für mich in meiner „Torwart-Zeit“ kaum noch möglich war, viele beziehungsweise längere Einheiten zu laufen.
Es war schon etwas deprimierend, nicht mehr im Tor stehen zu können. Und so
begann ich Ende Januar 2018 wieder mit dem Lauftraining. Für den Anfang
waren es 22 Minuten, und ich war total stolz, das geschafft zu haben. – Um jetzt
den ganz weiten Bogen zum 29. April, dem Tag des Hamburg-Marathons zu
schlagen, muss ich kurz einen Zeitsprung von über 3 Monaten machen. Denn am
Tag des HH-Marathons, am Verpflegungsstand unserer Marathon-Abteilung,
fasste ich den Entschluss, im April 2019 endlich wieder beim Marathon in
Hamburg zu starten, nach einer Pause von 7 Jahren. Und jetzt geht es wieder zurück in den tiefsten Winter …
Leider bin ich ein Genießer-Typ, das Leider bezieht bezieht sich allerdings nur auf
die Folgen des Genusses (der Genuss führt zum Verdruss (-;) Warum war ich so lange nicht mehr laufen gewesen? Beziehungsweise warum lief ich so gut wie gar nicht mehr? Beim Laufen bekam ich immer wieder Probleme mit den Knien, weil ich ganz einfach viel zu schwer war. Nach meinem Urlaub im November 2017, bei dem ich nochmal richtig dem
Genuss gefrönt hatte, beschloss ich, zu den Punktezählern bei den Weight
Watchers zu gehen. Und als dann endlich mal wieder eine Waage meinen
Sportler-Körper berührte, zeigte sie weit über 100 Kilo an (FUCK!!!) Und die ganze
Geschichte begann; wie es der Zufall so wollte, war unser FC St. Pauli zu diesem
Zeitpunkt genauso im Arsch wie ich auch, wir waren also quasi Brüder im Geiste.
Und diese Brüderschaft führte dazu, dass ich wieder anfing, Gedichte zu
schreiben. Den Entwicklungsprozess vom FC und von mir wollte ich dichterisch
begleiten. Das Ziel des Ganzen war eigentlich, dass der FC St. Pauli aus dem
Keller kommt und im Sommer 2018 in die 1. Liga aufsteigt, und dass ich im
Sommer 2018 eine Adonis-Figur habe. Beides hat nicht so ganz geklappt …
Was ich eigentlich kurz nach dem Marathontag schreiben wollte, ist das:
In der Woche vor dem Marathon wurden wir beim wöchentlichen Weight
Watchers-Treffen gefragt, ob es etwas Besonderes gäbe, was wir durch das
Abnehmen erreicht hätten. Niemand sagt etwas, also fing ich an. Und ich
erzählte, dass ich den Traum gehabt hatte, wieder mit dem Laufen anzufangen,
dass ich aber wegen meines Gewichts immer wieder mit den Gelenken Probleme
bekam. In der Zeit bei den WWs hatte sich mein Traum erfüllt: Ich war wieder ein
Läufer geworden. Und ich konnte ohne Schmerzen trainieren.
Während der Winter Hamburg immer noch fest im Griff hatte und der Januar langsam in den Februar überging, fing ich ganz vorsichtig wieder mit dem Training an, die 100 Kilo hatte ich schon hinter mir gelassen, also ging das ohne große Probleme. Im Februar machte ich 3 Läufe, alle schon knapp über 30 Minuten. Das fühlte sich toll an.
Im März waren es dann sogar 5 Läufe, die ich schaffte, dabei waren 2 Läufe sogar
schon über 40 Minuten. Am 30. März wollte ich dann mal austesten, was bei mir
schon ging, und ich lief 50:27, das war schon richtig geil!
Im April machte ich dann 7 Läufe. Langsam begann der Traum vom Marathon in
mir zu reifen. Und in der Woche vor dem Treffen, bei dem ich gefragt wurde, ob
ich auf etwas, dass ich durch die hohe Abnahme (die lag inzwischen bei minus 8
bis minus 9 Kilo) erreicht hatte, besonders stolz sei, begann ich das Training
etwas zu forcieren. Und ich entdeckte Laufstrecken, auf denen ich seit Jahren
nicht mehr unterwegs gewesen war, weil ich gar nicht mehr so weit laufen
konnte. –
Mein letzter Laufwettkampf war im Januar 2015, ein Crosslauf in Sülldorf. Die Strecke war vereist, ich stürzte mehrmals beim Laufen. Und die Schmerzen in der Hüfte gingen wochenlang nicht mehr weg. Ich landete bei einem Arzt, einem Spezialisten, der angeblich eine absolute Koryphäe war. Er diagnostizierte bei mir fortgeschrittene Hüftarthrose. Würde ich weiter Fußball spielen oder laufen, wäre es nicht mehr weit bis zum künstlichen Hüftgelenk. (Im Jahr 2015 entdeckte ich deshalb das Radfahren für mich und radelte cirka 3.500 Kilometer mit dem Rennrad). Fußballspielen und Laufen gab ich komplett auf, denn ich hatte ja (angeblich) Hüftathrose. Erst im Herbst 2015 ging ich zu einem anderen Arzt, den ich kannte und der wirklich ein Spezialist war. Er meinte nach der Untersuchung, das mit Hüftathrose sei völliger Schwachsinn, vermutlich war es nur eine Hüftprellung gewesen, die mir die Stürze auf dem Eis beschert hatten. Zwei Tage nach diesem Arzttermin fing ich wieder mit dem Kicken an.
In 2015 begann ich zusätzlich auch noch mit Israelischem Kampfsport, ich
machte also wieder sehr viel Sport, aber für das Laufen blieb da eben nicht mehr
so viel Zeit übrig. Aber ich wollte ja von dieser Woche vor dem Marathon schreiben. Ich musste einfach wissen, wie fit ich war, und ob ich überhaupt in der Lage wäre,
annähernd eine Stunde lang zu laufen.Am Dienstag, dem 17. April lief ich
erstmals seit Ewigkeiten eine Zeit von 56:19, aber ich muss zugeben, mir ging es
auf dem Rückweg meiner Laufrunde so beschissen, dass ich fast gekotzt hätte.
Es war sonnig, viele Leute gingen draußen spazieren, und ich musste nicht
darum bitten, mir Platz zu machen, denn mein Keuchen konnte man bestimmt
schon aus 10 Metern Entfernung hören. Aber ich schaffte es, meinen Magen-
inhalt bei mir zu behalten, und vor allem auch, die ganze Zeit durchzulaufen.
Zwei Tage später zwang ich mich dazu, die noch magische Grenze von einer
Stunde zu überschreiten. Dieses Mal hatte ich auch eine Trinkflasche mit. Und
erstaunlicherweise merkte ich schon eine leichte Verbesserung meiner Kondition.
Die Zeit lag bei 1:05:07, so lange war ich seit dem verhängnisvollen Crosslauf im
Januar 2015 nicht mehr gelaufen.
Und dann, noch zwei Tage später, es war Samstag, machte ich mich wieder auf
den Weg, da lief ich etwa eine Minute mehr als am Donnerstag. Und da spürte ich
wirklich, dass es sozusagen endlich wieder lief bei mir.
Acht Tage später stand ich dann in Ohlsdorf an der Marathon-Strecke und
verabredete mich mit Urs für den Hamburg-Marathon 2019. Bis dahin ist ja noch
ein wenig Zeit, und ich denke mir Warum nicht?S
eit Anfang 2015 habe ich keinen Lauf-Wettkampf mehr gemacht. Heute habe ich
mich für den KKH-Lauf am 22. Juni angemeldet, und auch wenn es nur ein Mal
um die Außenalster geht, was ich jetzt inzwischen wieder locker schaffen kann,
bin ich doch ein wenig aufgeregt.
Heute Vormittag war ich wieder beim Laufen. Es war der längste Lauf seit
irgendwann in 2014, und ich lief etwa eine Stunde und 44 Minuten. Und jetzt bin
ich doch etwas positiver gestimmt als noch vor ein paar Monaten. Bei meinem
letzten Marathon, im Jahr 2012, kam ich nicht wie geplant in einer Zeit von
knapp 4 Stunden ins Ziel, sondern ich war tatsächlich einer der letzten hundert
Läufer, die sich über die Ziellinie schleppten. Nach 3 Stunden war ich am
Verpflegungsstand der Marathon-Abteilung bei Kilometer 32, mit einer Superzeit.
Doch leider nahm ich Powergel oder wie das heißt, und ich lief und ging dann die
letzten 2 1⁄2 Stunden immer an der Kotzgrenze entlang, sobald ich ein wenig zu
schnell war, wurde mir schlecht. Die größte Leistung überhaupt war, dass ich
das Ganze durchgehalten hatte. So etwas kann halt auch bei einem Marathon
passieren, shit happens, aber Gel werde ich nie wieder bei einem Lauf nehmen!
Und wenn ich dann am 28. April 2019 die Ziellinie passieren werde, ist es
scheißegal, in welcher Zeit, selbst wenn ich der letzte Mann sein sollte, der
kriechend ins Ziel kommt, ist mir das egal. Wichtig ist eigentlich nur, dass ich
jetzt schon weiß, dass ich starten werde, und dass ich auch irgendwie ins Ziel
komme, wenn bis dahin nichts Schwerwiegendes mehr passiert. Inzwischen habe
ich mehr als 12 Kilo abgenommen und wiege unter 90 Kilo, aber 10 Kilo will ich
bis zum Marathon mindestens noch auf der Strecke lassen. Und wenn ich das
tatsächlich schaffen sollte, dann kann der FC St. Pauli im nächsten Sommer
auch in die 1. Liga aufsteigen …
Und die Hoffnung stirbt zuletzt …
Stephan de Vogel