14.07.2018 (AS) Mein erster Marathon 42,195 km? Hallo, seid ihr des Wahnsinns? Schaffe ich nicht! Never. Ever.
Ich habe die Situation noch gut im Gedächtnis. Ende Januar saßen wir, wie immer montags nach einer Laufrunde links um die Alster, im Red Dog. Erst kürzlich war ich den Marathonis beigetreten. Wir waren noch zu dritt am Tisch. Ich fragte Marco, wie ich mich denn am besten auf einen Marathon vorbereiten könne. Seinen Tipp gebe ich jetzt einfach mal unentgeltlich an euch weiter (sorry, Marco) „Laufen, laufen, laufen!“ Als ich erwähnte, die längste Strecke, die ich bis dahin je gelaufen war, seien bloß 17 km gewesen, wurde es erstmal ganz still. Zügig vom Schock erholt, gab mir Marco weitere weise Worte mit auf den Weg: „Das wird dann wohl ein Herbstmarathon.“ Jetzt hatte ich ein Ziel.
Mit festen Trainingsplänen habe ich es nicht so, sondern laufe eher so, wie mir gerade danach ist. Aber irgendwie habe ich es trotzdem dieses Frühjahr geschafft, den einen oder anderen Halbmarathon im Training zu laufen. Zusätzlich motivierend war, im April Marco bei seinem 50. Marathon zu unterstützen und den Hamburg-Marathon an unserem FCSP-Marathonabteilungsstand mitzuverfolgen und die Läufer*innen anzufeuern. Einen Tag nach dem Hamburg-Marathon habe ich mich dann auch für das nächste Jahr angemeldet. Marcos Worte wollten mir aber nicht aus dem Kopf. Daher meldete ich mich kurze Zeit später für den Köln-Marathon im Oktober an. Erster Marathon im Herbst: Check! Da ich Rheinländer bin und noch eine enge Bindung zu Köln habe, schien mir die Wahl, dort zu laufen und bei meinen ersten Marathon unterhalb des Kölner Doms ins Ziel einzulaufen perfekt. Es kam anders. Besser.
Am. 14. Juli stand also der Marathonabteilungsabteilungsma
Ich erfuhr, dass es gar nicht darum ging, die volle Distanz zu schaffen, sondern einfach nur, um zusammen zu laufen und Spaß zu haben. Außerdem könne man ja jederzeit aussteigen. Das nahm tatsächlich eine Menge Druck von mir. Okay, dachte ich mir, laufe ich also mit. Mein Plan: 35 km anpeilen. Sollte ich das schaffen ist das stark, aber sowieso wäre alles über 23 km neuer Rekord für mich.
Aus welchem Ratgeber ich das hatte, kann ich gar nicht mehr sagen, aber darin stand, dass man spätestens 3 Stunden vor dem Lauf essen solle und zwar am besten Weißbrot mit Honig, in meinem Fall war es Zuckerrübensirup. Um 6 Uhr morgens. Mann, war ich an dem Tag müde. Gerade noch rechtzeitig, kam ich am Heiligengeistfeld an. Noch schnell aufs Klo, Bild mit der Startgruppe gemacht und dann wurde es auch schon ernst. Zu elft sind wir gestartet. Acht Läufer*innen und drei Radfahrer*innen mit Verpflegung im Gepäck. Richtig nett war, dass ein Ordner die Straße zwischen Heiligengeistfeld und Planten un Blomen extra für uns gesperrt hatte, sodass wir an einer der wenigen Ampeln auf unserem Weg nicht gleich zu Beginn halt machen mussten. Okee. Vielleicht, gegebenenfalls, unter Umständen war die Straße aber auch für eine Gruppe kostümierter Irrer gesperrt, die einige Stunden später den Kiez in Beschlag nehmen sollte.
Was ungewohnt war: langsames Laufen. Wir liefen mit einem Pace von 6:30 min/km. Mein Wohlfühl-Pace lag aber mittlerweile schon bei 5:20 min/km. Dass es ungeheuer wichtig ist, langsam zu starten und das Tempo zu halten, wusste ich zwar, 30 bis 35 km später aber war mir dann auch wirklich bewusst, wie entscheidend das ist.
Wir hatten noch keine 5 km zurückgelegt, da fiel mir ein, dass ich einen Anfängerfehler gemacht hatte. Ich hatte vergessen, mir Brustwarzenpflaster aufzukleben. Die Langstreckenläufer unter den Lesern kennen die Problematik und wissen, wie fies blutig gelaufene Nippel sind. Marco, der genug Hilfsmittel dabei hatte, um selbst eine spontan aufflammende nukleare Auseinandersetzung unbeschadet zu überstehen, gab mir in der ersten Pause dankenswerterweise zwei Pflaster. Bis zur ersten Unterbrechung hatte uns unser Weg durch Planten un Blomen und an der Alster entlang bis zum Eppendorfer Mühlenteich geführt. Mittlerweile waren wir nur noch zu zehnt, da Jürgen am Winterhuder Fährhaus ausstieg.
Weiter ging es an der Tarpenbek und dem Flughafen vorbei zum Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße. Dort wartete eine kleine Überraschung. Zeugwart Thorge Blöcker empfing uns mit zwei Kästen Wasser. Wenn ich das richtig mitbekam, hatte Gunnar das eingefädelt. Gestärkt ging es weiter durch das Niendorfer Gehege Richtung St. Ellingen. Anika, die ihren neuen Trinkrucksack ausprobierte und mit zunehmender Leerung der Trinkblase den Lauf akustisch untermalte, begnügte sich damit, einen Halbmarathon absolviert zu haben und verabschiedete sich an der S-Bahnstation. Wir liefen weiter in den Volkspark und machten dort noch einmal Pause. So langsam meldeten sich die Beine. Erste Erkenntnisse hatte ich auch schon gewonnen. Zu Beginn hätte ich locker mehr trinken, dafür weniger essen sollen. Aber hey, genau dafür hatte ich ja Energieriegel, Gels und sonstige hochkalorische Verpflegung dieser Welt mitgenommen, um herauszufinden, was mir bekommt, was nicht und was mich weiter bringt. So langsam merkte ich, das könnte noch etwas werden. Bei Kilometer 28 sagte ich mir, 14 km packe ich jetzt auch noch. Aufgeben kommt nicht in Frage. Das gleiche dann bei KM 29, 30 usw. Es war anstrengend, aber ich fühlte mich gut. Tim und Jan hatten allerdings zu kämpfen. Neben Marco, Sandra und mir waren sie die ganze Strecke mitgelaufen, ohne zwischenzeitlich eine Runde Rad zu fahren. Bei Tim meldete sich das Knie, bei Jan war es, das glaub ich, Sprunggelenk. Aber auch bei ihnen war Aussteigen keine Option. Jan erzählte mir, wie sehr er es bereute, das Jahr zuvor nicht durchgezogen zu haben, sondern in Bahrenfeld ausgestiegen zu sein. Durchhalten war angesagt.
In Klein-Flottbek machten wir Rast und begrüßten neue Mitläufer. Gesche, Dirk, sowie Johannes samt Hund begleiteten uns das letzte Teilstück an der Elbe entlang. Die frischen Läufer*innen zogen zunächst auch ein wenig das Tempo an. Die Gruppe blieb aber zusammen.
Nachdem ich zwischenzeitlich, naja, nicht wirklich die Orientierung verloren, aber nicht immer genau wusste wo wir sind, war ich froh, Teufelsbrück zu erreichen. Von hier aus hatte ich eine Vorstellung davon, was noch vor uns liegt. Sandra sagte mir, KM 35 sei kritisch. Bei dieser Marke gäben Marathonläufer*innen am häufigsten auf. KM 35 kam, aber ich stellte keinerlei Veränderung fest und lief beruhigt weiter. In Övelgönne unterbrachen wir das letzte Mal den Lauf, um uns zu verpflegen. Ich aß eine LKW-Ladung Salzstangen. Mindestens.
Da das Beste bekanntermaßen immer zum Schluss kommt, freuten wir uns schon wahnsinnig auf den Aufstieg zum Altonaer Balkon. Nicht. Das war nochmal eine harte Nuss. Für mich überraschend, hatte ich auch hier zu keinem Zeitpunkt das Gefühl ich könne nicht mehr weiter. Die Gruppe zersplitterte sich. Die Läuferkerntruppe legte die letzten drei Kilometer teilweise unter sich zurück. Meinen großen Respekt an Jan, der trotz Schmerzen weiter vorne mitlief. Tim fiel leider ein wenig zurück, aber am Ende hat auch er die volle Distanz gemeistert. Dann hatten wir das Ziel vor Augen. Unvergessen Marcos Losung: „Holt die Macheten raus!“ Dumm nur, Anfängerfehler Nummer zwei an diesem Tag, keiner hatte an die Macheten gedacht *Kopfklatsch*. So mussten wir uns kurz vor dem Ziel knapp 150 m lang ohne die von der BMS vorgeschriebene Kampfausrüstung unseren Weg durch alkoholgetränkte Stumpfsinnigkeit bahnen. Am Ende erfolgreich.
Schon während des Laufs fiel mir auf, dass die Distanzmessung meiner Uhr von denen der anderen abwich. Um einige hundert Meter sogar. Da es Sandra genau so ging, drehten wir vor dem Millerntor-Stadion noch eine extra Runde. Das ist vielleicht penibel, aber wir wollten beide unbedingt die volle Distanz auf unseren GPS-Geräten gespeichert wissen. Überglücklich kamen wir im Ziel an und stießen standesgemäß mit Astra an. Die Zahl der Finisher stieg um den Faktor 5, nachdem im letzten Jahr nur Marco den Marathon zu Ende gelaufen war. Die offizielle Zielzeit betrug 5:24:49.
So war das. Ich kann es immer noch nicht so ganz hundertprozentig glauben. Vor allem, dass ich keine schlimmen Tiefs hatte und auch die Tage danach verhältnismäßig wenig die Beine spürte. Natürlich hatte ich Blasen, aber das ist nunmal der Deal. Ich bin froh, dass ich mit der Abteilung entspannt laufen konnte. Eine bessere Vorbereitung für die kommenden Wettbewerbe kann ich mir nicht vorstellen. Wie ich schon erwähnte, ließ die Gruppe keine Tempoerhöhung zu, was, wenn ich allein unterwegs gewesen wäre, mir durchaus hätte passieren können. Sehr wahrscheinlich sogar. Kam mir zu Anfang der Lauf langsam vor, hatte ich zum Schluss das Gefühl, wir flögen. Die Pace war jedoch immer die gleiche.
Mein Dank geht an alle, die mitgemacht und mitgeholfen haben. Das war groß! Wenn ich mich demnächst irgendwo durchbeißen muss, denke ich an Jan und Tim. Bärenstarke Leistung. Besonderer Dank an Marco, da er den Lauf geplant und die Gruppe zusammengehalten hat. Außerdem hat er einem orientierungslosen Neuling wertvolle Tipps gegeben.
Alexander Schmitz